Ausbildungsplatz frei – aber niemand will ...

Ausbildungsplatz frei – aber niemand will …

Warum treibt es die Schulabgänger an die Hochschulen? Ist es der „Akademisierungswahn“? Dies wird zumindest durch die jüngsten Äußerungen aus Wirtschaft und Politik nahegelegt. Allerdings zeichnet der Ausbildungsreport der DGB-Jugend, der Ende August vorgestellt wurde, ein ganz anderes Bild auf: das Defizit von vielen Ausbildungsbetrieben. Die Mängelliste ist lang: Überstunden bei fast jedem dritten Azubi, Erledigung vieler Aufgaben, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben und die oft mangelhafte Betreuung durch die Ausbilder. Selbst die Schulen schneiden in dem Bericht in Hinsicht auf die Berufsorientierung schlecht ab.

Eine „Bildungswende“ muss her

Angesichts des Fachkräftemangels wird vom Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer in seiner Branche eine „Bildungswende“ gefordert. Es gilt von der Vorstellung wegzukommen, dass „nur ein Studium es möglich macht, beruflich und persönlich Erfolg zu haben“. Sondern es muss der Punkt erreicht werden, wo mehr Anerkennung und Wertschätzung der beruflichen Bildung gelten.

Dies wird von der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bereitwillig unterstützt und sie behauptet, dass „akademische und berufliche Bildung unterschiedlich, aber gleichwertig sind“.

Es spricht sich unter jungen Menschen rum …

… wenn die Ausbildungsqualität schlecht ist und die Perspektive fehlt. DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker ist der Meinung, dass wer Fachkräfte will, diese auch gut ausbilden muss. Die Arbeitgeber haben es selbst in der Hand, neue Auszubildende zu finden, besonders in den Branchen, wo ein raues Klima herrscht und die bekannt dafür sind Mängel in der Ausbildung aufzuweisen.

Ebenfalls ist es kein „Ausweis der Attraktivität“, wenn fast 50 Prozent der Azubis im letzten Ausbildungsjahr nicht wissen, ob sie übernommen werden oder nicht. Von Becker wird betont, dass Auszubildende, die ihre Ausbildung erfolgreich absolviert haben, übernommen werden müssen: im ausgebildeten Beruf, Wohnort nah, Vollzeit und unbefristet. Selbst von den befragten Azubis, die nach der Lehre übernommen wurden, erklärte fast ein Drittel, dass sie lediglich nur eine befristete Stelle erhalten haben und zumeist nur für ein Jahr eingestellt wurden.

Noch lange hat sich der Ausbildungsmarkt nicht vom „Corona-Schock“ erholt, erklärt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. In 2021 erhielten noch nicht einmal 70 Prozent der Jugendlichen, die bei der BA gemeldet waren, eine Ausbildungsstelle. In Deutschland bildet nicht einmal jedes fünfte Unternehmen aus. Doch auf der anderen Seite gibt es ein enormes Potenzial an jungen Menschen, die nach einer Ausbildungsstelle suchen, diese aber nicht finden. Jedes Jahr stecken rund 220.000 Jugendliche in den sogenannten Übergangsmaßnahmen zwischen Schule und Ausbildung fest. Hier hilft die Jobbörse Stellenonline.de mit über 1 Mio tagesaktuellen Jobs.

Hinzu kommen über 2,3 Millionen ohne Berufsabschluss im Alter zwischen 20 und 34 Jahren. Ihnen droht ein Leben in Arbeitslosigkeit, Armut und prekärer Beschäftigung. Somit ist die Bundesregierung gefragt, endlich die angekündigte Ausbildungsgarantie einzuführen.

Die Berufsorientierung – der Schwerpunkt des Ausbildungsreports 2022

Die Berufsorientierung ist der Schwerpunkt des diesjährigen Ausbildungsreports. In der Befragung schnitt die schulische Berufsorientierung schlecht ab. So wurde von drei Viertel (72,2 Prozent) der Befragten angegeben, dass es in der Schule hinsichtlich der Berufsberatung kaum Unterstützung gegeben habe. Nicht einmal 29 Prozent der Befragten haben die Berufsberatung der Agentur für Arbeit genutzt. Des Weiteren gaben 40,5 Prozent von ihnen an, dass ihnen „weniger“ oder „gar keine“ Unterstützung erhalten haben. Becker erklärte in diesem Bezug, dass hier die Jugendberufsagenturen in der Pflicht stehen müssen. Sie müssen sichtbarer mit ihrer Arbeit werden und enger als bisher mit den Schulen kooperieren und zusammenarbeiten. Hinzu kommt, dass es notwendig sei, dass die schulische Berufsorientierung in jeder Schulform gestärkt werden müsse. Dem fügte Kristof Becker hinzu und betonte dies gleichzeitig, dass „niemand verloren gehen darf“.

Aber auch die fachliche Anleitung der Ausbildungsbetriebe ist oft mangelhaft. Der Anteil der Auszubildenden, deren Ausbilder*innen selten oder sogar nie am Ausbildungsplatz verfügbar sind, ist mit 11,6 Prozent der höchste, seitdem dieser Wert seit 2008 dokumentiert wird. Von den Auszubildenden wurde zudem angegeben, dass Arbeitsvorgänge „selten“ oder „nie“ zufriedenstellend erklärt würden (13,2 Prozent). Mehr als 11 Prozent der Befragten mussten „immer“ oder „häufig“ ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen, wie bspw. Toiletten reinigen, Gläser spülen, Kaffeeküche putzen oder tagelange Renovierungsarbeiten im Betrieb übernehmen. Von rund 34,5 Prozent wurde angegeben, dass in dem Ausbildungsbetrieb kein Ausbildungsplan vorgelegen hat, obwohl dieser vom Gesetz her vorgeschrieben ist.

Weiter ging es in der Befragung der Auszubildenden, von denen knapp ein Drittel (32,8 Prozent) regelmäßig Überstunden machen und je Woche durchschnittlich drei Stunden mehr arbeiten. Für die Überstunden erhielten 11,6 Prozent weder eine Vergütung noch einen Freizeitausgleich. Becker erklärte, dass es sich dabei um klare Verstöße gegen das Berufsbildungsgesetz handelt und es daher notwendig ist, wirksame Kontrollen der Aufsichtsbehörden durchzuführen, um eben derartige Verstöße aufzudecken.

Es gibt auch Zufriedenheit bei den Auszubildenden

Doch insgesamt sind über 70 Prozent der Auszubildenden mit ihrem Ausbildungsplatz zufrieden, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den Branchen gibt. So sind die Industriemechaniker*innen, Mechatroniker*innen, Verwaltungsfachangestellten und Elektroniker*innen für Betriebstechnik deutlich zufriedener. Mangelhaft hingegen geht es in den berufen innerhalb des Hotel- und Gaststättengewerbes, der Zahnmedizin, dem Einzelhandel und dem Friseurhandwerk zu. Vor allem die Hotelfachfrauen*männer und den Friseur*innen litten im Vergleich zu 2020 unter den Auswirkungen der Pandemie.

Kristof Becker erklärte, dass es insgesamt abzuwarten bleibt, wie sich die Ausbildungszufriedenheit in diesem Jahr entwickeln wird. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es noch nicht absehbar ist, welche Folgen der Ukraine-Krieg in den nächsten Monaten und Jahren mit sich zieht in Bezug auf Inflation und gestörte Lieferketten. Daher ist es jetzt notwendig, zu handeln und die duale Berufsausbildung zu stärken und diese krisenfest zu gestalten.

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